Herta Müller

Geboren am 17. August 1953 in Nitzkydorf Rumänien. Ihre Familie gehörte zur deutschen Minderheit der Banater Schwaben in Rumänien. Ihr Großvater war ein wohlhabender Bauer und Kaufmann. Er wurde unter dem kommunistischen Regime in Rumänien enteignet. Ihre Mutter wurde zu jahrelanger Zwangsarbeit in die UdSSR deportiert. Ihr Vater, ein ehemaliger Soldat der Waffen-SS, verdiente seinen Lebensunterhalt als Lkw-Fahrer. Nach dem Abitur studierte sie an der Universität des Westens Timisoara Germanistik und Rumänistik. Ab 1976 arbeitete sie als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik, wurde allerdings 1979 nach ihrer Weigerung, mit der rumänischen Securitate zusammenzuarbeiten, entlassen. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt mit zeitweiliger Lehrtätigkeit in Schulen – unter anderem am deutschsprachigen Nikolaus Lenau Lyzeum in Timisoara – und in Kindergärten sowie mit privatem Deutschunterricht. In Temeswar war Herta Müller einzige Frau in einer Gruppe junger Schriftsteller um den Dichter und Zeitungsherausgeber Nikolaus Berwanger. Ihr erstes Buch Niederungen, dessen Manuskript vor der Veröffentlichung in Rumänien dort über vier Jahre vom Verlag zurückgehalten wurde, konnte 1982 in Rumänien, wie alle Publikationen, nur in stark zensierter Fassung erscheinen. Teile der Banater Schwaben empfanden dieses Buch als „Nestbeschmutzung“.
1987 reiste Herta Müller mit ihrem damaligen Ehemann, dem Schriftsteller Richard Wagner, in die Bundesrepublik Deutschland aus. In den folgenden Jahren erhielt sie eine Reihe von Lehraufträgen als Writer in residence an Universitäten im In- und Ausland. 1998 wurde sie auf die „Brüder-Grimm-Gastprofessur“ der Universität Kassel berufen, 2005 war sie „Heiner-Müller-Gastprofessorin“ an der Freien Universität in Berlin, wo sie heute lebt.
Herta Müller gehörte bis zu ihrem Austritt 1997 dem P.E.N.-Zentrum Deutschland an; seit 1995 ist sie Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
2008 kritisierte Herta Müller in einem offenen Brief die Einladung des Historikers Sorin Antohi und des Germanisten Andrei Corbea-Hoisie zu einer Tagung des „Berliner Rumänischen Kulturinstituts“ am 25. Juli 2008, weil beide Informanten der Securitate im kommunistischen Rumänien waren. In einem Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit vom 23. Juli 2009 mit dem Titel „Die Securitate ist noch im Dienst“ beschreibt Herta Müller, welchen Maßnahmen „zur Kompromittierung und Isolierung“ des rumänischen Geheimdienstes sie ausgesetzt war und noch heute ist. Die Akten der Securitate über die Aktionsgruppe Banat offenbaren aus Müllers Sicht, dass sie und damit ihre Kritik an der Diktatur Ceausescu durch Diskreditierungsmaßnahmen unglaubwürdig gemacht werden sollte. Müller nimmt an, dass von der Securitate entworfene Briefe an deutsche Rundfunkanstalten geschickt wurden, in denen sie als Agentin beschuldigt wurde. Weiterhin beschuldigten sie führende Personen der Landsmannschaft der Banater Schwaben, von denen Müller vermutet, dass sie informelle Mitarbeiter der Securitate waren und im Auftrag der Kommunistischen Partei Rumäniens schrieben. Über den Umgang mit ihrer Securitate-Akte schreibt Herta Müller: „Frisieren kann man es nicht nennen, die Akte ist regelrecht entkernt.“ 2005 war zunächst berichtet worden, dass die über Müller angelegte Akte der Securitate nach Angaben des CNSAS offenbar vernichtet worden war.
2009 wurde ihr Roman Atemschaukel, der durch ein Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung ermöglicht wurde, für den Deutschen Buchpreis nominiert und gelangte ins Finale der besten sechs Romane. In diesem Buch zeichnet die Autorin den Weg eines jungen Mannes in ein Deportationslager nach Russland nach, das exemplarisch für das Schicksal der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen nach dem Zweiten Weltkrieg steht. Als Modell diente ihr dabei das Erleben des 2006 verstorbenen Lyrikers und Georg-Büchner-Preisträgers Oskar Pastior, dessen mündliche Erinnerungen Herta Müller in mehreren Heften notiert hat.
2009 erhält Herta Müller den Nobelpreis für Literatur. Sie habe „mittels Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit“ gezeichnet, hieß es in der Würdigung. Begründet wurde die Vergabe des Nobelpreises mit der Intensität der von ihr verfassten Literatur. Die Titel ihrer Bücher enthalten häufig Sprachbilder, die im Hochdeutschen nicht üblich sind, wie z.B. „Der Teufel sitzt im Spiegel.“



Veröffentlichungen: Niederungen. Prosa. Bukarest 1982; zensierte Fassung; Berlin 1984 vollständige Fassung; Drückender Tango. Erzählungen. Bukarest 1984, Reinbek 1988; 1996; Der Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt, Berlin 1986; Geschichten. in: Akzente (Heft 6) Dezember 1987; „Wer nur Luft berührt..." u. a. kurze Geschichten. In: Aus fremder Heimat. Zur Exilsituation heutiger Literatur. (Hrsg. von Günter Kunert), Hanser, München 1988; Barfüßiger Februar, Berlin 1987;  Reisende auf einem Bein, Berlin 1989; Wie Wahrnehmung sich erfindet, Paderborner Universitätsreden, Heft 20, Paderborn 1990; „Der Teufel sitzt im Spiegel“. Wie Wahrnehmung sich erfindet, Berlin 1991; Der Fuchs war damals schon der Jäger, Reinbek 1992; Eine warme Kartoffel ist ein warmes Bett, Hamburg 1992; Der Wächter nimmt seinen Kamm, Reinbek 1993; Vulpe - vânator (Der Fuchs war damals schon der Jäger), Filmdrehbuch 1993; Angekommen wie nicht da, Lichtenfels 1994; Herztier, Reinbek 1994; Hunger und Seide, Reinbek 1995; In der Falle, Göttingen 1996; Heute wär ich mir lieber nicht begegnet, Reinbek 1997; Der fremde Blick oder Das Leben ist ein Furz in der Laterne, Göttingen 1999; Theodor Kramer: Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan, (hrsg. von Herta Müller) Wien 1999; Im Haarknoten wohnt eine Dame, Reinbek 2000; Die Handtasche, (hrsg. von Herta Müller), Künzelsau 2001; Wenn die Katze ein Pferd wäre, könnte man durch die Bäume reiten, (hrsg. von Herta Müller), Künzelsau 2001; Heimat ist das, was gesprochen wird, Blieskastel 2001; Fünf Collagen. ebd. S.59 - 63 (Abbildungen); Der König verneigt sich und tötet, München [u. a.] 2003; Die blassen Herren mit den Mokkatassen, München [u. a.] 2005; Este sau nu este Ion, (in rumänischer Sprache), Iasi 2005; Der Blick der kleinen Bahnstationen, in: Horch und Guck, 18. Jahrgang, Heft 64, 2/2009; Die Nacht ist aus Tinte gemacht. Herta Müller erzählt ihre Kindheit im Banat, (Hörbuch), supposé 2009; Atemschaukel. Roman. München 2009.
 




 
Auszeichnungen: 1981: Adam-Müller-Guttenbrunn-Förderpreis des Temeswarer Literaturkreises; 1984: Aspekte-Literaturpreis; 1985: Rauriser Literaturpreis; 1985: Förderpreis zum Literaturpreis der Stadt Bremen; 1987: Ricarda-Huch-Preis; 1989: Marieluise-Fleißer-Preis; 1989: Deutscher Sprachpreis, gemeinsam mit Gerhardt Csejka, Helmuth Frauendorfer, Klaus Hensel, Johann Lippet, Werner Söllner, William Totok, Richard Wagner; 1990: Roswitha-Preis; 1991: Kranichsteiner Literaturpreis; 1992: Deutscher Kritikerpreis; 1994: Kleist-Preis; 1995: Europäischen Literaturpreis Prix Aristeion; 1995/96: Stadtschreiber von Bergen; 1997: Literaturpreis der Stadt Graz; 1998: Ida-Dehmel-Literaturpreis und den International IMPAC Dublin Literary Award (für den Roman Herztier); 1999: Franz-Kafka-Preis der Stadt Klosterneuburg; 2001: Cicero-Rednerpreis; 2002: Carl-Zuckmayer-Medaille; 2003: Joseph-Breitbach-Preis (zusammen mit Christoph Meckel und Harald Weinrich); 2004: Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung; 2005: Berliner Literaturpreis; 2006: Würth-Preis für Europäische Literatur; 2006: Walter-Hasenclever-Literaturpreis; 2007/08: Stipendium Internationales Künstlerhaus Villa Concordia; 2009: Heine-Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft Düsseldorf; 2009: Nobelpreis für Literatur; 2009: Franz-Werfel-Menschenrechtspreis; 2010: Hoffmann-von-Fallersleben-Preis für zeitkritische Literatur.







Wenn der Gauner in deiner Schläfe lacht Details anzeigen
Aufzeichnung: 3. Mai 2003
Dauer: 31 sek
Stimme: Autorin
Audio-Quelle: Poesie International 2003. 01.05. bis 04.05. 2003, Spielboden Dornbirn. (CD 8 - Samstag 03.05.2003, Herta Müller, Anton G. Leitner & Martin Finsterlin, Iztok Osojnik), Herausgeber: Franz Paul Hammling, Autorenverband Vorarlberg 2003, unveröffentlicht.
Print-Quelle: Im Haarknoten wohnt eine Dame. Rowohlt, Reinbeck 2000
Produktion: © Vorarlberger Autorenverband und Spielboden Dornbirn



Herta Müller 21min 39 sek Details anzeigen

Aufzeichnung: 3. Mai 2003
Einführung: Ingrid Bertel
Stimme: Autorin
Quelle: Poesie International 2003. 01.05. bis 04.05. 2003, Spielboden Dornbirn. (CD 8 - Samstag 03.05.2003, Herta Müller, Anton G. Leitner & Martin Finsterlin, Iztok Osojnik), Herausgeber: Franz Paul Hammling, Autorenverband Vorarlberg 2003, unveröffentlicht.
Produktion: © Vorarlberger Autorenverband und Spielboden Dornbirn

18 Herta Müller Details anzeigen

Aufzeichnung: 3. Mai 2003
Dauer: 21min 39 sek

Einführung: Ingrid Bertel
Stimme: Autorin
Quelle: Poesie International 2003. 01.05. bis 04.05. 2003, Spielboden Dornbirn. (CD 8 - Samstag 03.05.2003, Herta Müller, Anton G. Leitner & Martin Finsterlin, Iztok Osojnik), Herausgeber: Franz Paul Hammling, Autorenverband Vorarlberg 2003, unveröffentlicht.
Produktion: © Vorarlberger Autorenverband und Spielboden Dornbirn
Im Literaturradio seit: Oktober 2009