Geboren am 12. Jänner 1939 in Graz, gestorben am 20. September 2003 in Wien. Eisendle war der Sohn eines höheren Beamten. Nach der Grund- und Hauptschule absolvierte er von 1954 bis 1958 eine Lehre zum Telefonmechaniker. Anschließend war er in diesem Beruf (als „Entstörer“) tätig und holte gleichzeitig auf einer Abendschule die Matura nach. Von 1965 bis 1970 studierte er an der Universität Graz Psychologie, Philosophie und Biologie, daneben arbeitete er als Werkstättenlehrer an der Höheren Technischen Lehranstalt in Graz. 1970 promovierte er im Hauptfach Psychologie zum Doktor der Philosophie. Eisendle arbeitete als Psychologe anfangs in einer freien Gruppenpraxis für Erziehungsberatung und Verhaltensmodifikation in Graz, danach als Vertreter für den Pharmakonzern Hoffmann La Roche. Er war Mitarbeiter der Literaturzeitschrift „Manuskripte" und ab 1972 freier Schriftsteller. Als solcher lebte er in den folgenden Jahren u. a. in Barcelona und Berlin, ab 1977 in München, ab 1979 in Friaul und Triest, ab 1981 in der Südsteiermark, dann in Wien, Amsterdam, Berlin und seit 1993 endgültig in Wien. Sein ehrenhalber gewidmetes Grab befindet sich in Wien im Urnenhain der Feuerhalle Simmering (Abteilung 1, Ring 3, Gruppe 8, Grab Nr. 79).
Mit seinem ersten Roman Walder oder die stilisierte Entwicklung einer Neurose (Hanser 1972) trat er 1972 an die Öffentlichkeit. Eisendle erprobt in seinen Texten das ideologie- und wissenschaftskritische Potential von Literatur. In dem Erzählband Das nachtländische Reich des Doktor Lipsky (Residenz 1979) akzentuiert Eisendle zunehmend sprachkritische Positionen. In seinem letzten Roman Ein Stück des blauen Himmels (Residenz 2003) bezog sich Eisendle auf den frühen Text Jenseits der Vernunft (Residenz 1976) und konstituierte seine Figuren über ihr Denken und Erinnern. Seine Romane und Erzählungen enthalten häufig theoretischen Erörterungen und sind insgesamt von essayistischem Charakter.
Eisendle war auch als bildender Künstler tätig und hinterließ zahlreiche Aquarelle, die immer wieder in Einzelausstellungen zu sehen waren und sind. Darüber hinaus gilt sein literarisches Archiv, das aus Handschriften, Skizzen, Fassungen und Reinschriften seiner Romane, Theaterstücke, Hörspiele, Erzählungen und Essays besteht, sowie beruflichen und privaten Korrespondenzen, Lebensdokumenten und zahlreichen Materialien zur Rezeptionsgeschichte als wichtiger Beitrag zur österreichischen Gegenwartsliteratur. Dieses Archiv ist Teil der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, die es im Jahr 2001 übernommen hat.
Buch-Veröffentlichungen: Sympathie und Antipathie bei der Beurteilung von Bildern (mit P.Raab) in: Psychologie ästhetischer Urteile, Graz, Leykam 1971; Walder oder Die stilisierte Entwicklung einer Neurose, Hanser 1972; Handbuch zum ordentlichen Leben, Hanser 1973; Jenseits der Vernunft oder Gespräche über den menschlichen Verstand, Residenz 1976; Exil oder Der braune Salon, Residenz 1977; Die Frau an der Grenze, Residenz, 1984; Das nachtländische Reich des Doktor Lipsky, Residenz 1979; Das Verbot ist der Motor der Lust, Residenz 1980; Der Narr auf dem Hügel, Residenz 1981; Der Irrgarten von Versailles oder Das Labyrinth der Psyche, Rainer 1975; Fröhlichs Wirbeltiergehirn, Edition Frenken 1975; Daimon und Veranda, Rainer 1978; Mayerling, Rainer 1980; Das schweigende Monster, Droschl 1981; Vom Charlottenburger Ufer zur Monumentenstrasse, Rainer 1983; Skinfaxi (mit Susanne Berner), Rainer 1983; Die südsteirische Weinstraße (mit Helmut Tezak), Droschl 1984; Billard, Droschl 1984; Anrufe, Doppelgänger, Verfolgung, Medusa 1985; Die schönste Landschaft ist das Hirn (mit Uli Kasten), Mariannenpresse 1987; Oh Hannah, Zsolnay 1988; Die Gaunersprache der Intellektuellen, Verlag der Autoren 1988; Beiläufige Gedanken über Etwas, Zsolnay 1989; Die Ermordung der Monalisa (mit Arno Waldschmidt), Merlin 1989; Das magische Quadrat, Rainer 1990; Block oder Die Melancholie, Ammann 1991; Die vorletzte Fassung der Wunderwelt, Ammann 1993; Entzauberungen, Sonderzahl 1994; Triest - Stadt zwischen drei Welten, (Hgr.) Piper 1994; Österreich Lesen, Texte von Artmann bis Zemann, (Hgr.), Deuticke 1995; Der Egoist, Haymon 1996; Fremd, (Hgr.) Deuticke 1997; Abendsport. Zweimal. Minutentexte, Haymon 1998; Dschungel der Liebe, Sonderzahl 1998; Lauf, Alter, die Welt ist hinter dir her, Deuticke 2000; Ist mein Gehirn künstlich – Die Globalisierungsfalle der unzähligen Möglichkeiten des Ausdrucks, (Hgr. mit Matthias Goldmann), triton 2001; Jenseits der Vernunft oder Gespräche über den menschlichen Verstand, Gemini 2001; Gut und Böse sind Vorurteile der Götter, Residenz 2002; Ein Stück des blauen Himmels, Residenz 2003. Hörspiele: Die Freiheit, die ich meine oder ego-washing, WDR 1973; Die Umstimmer, ORF, Sessler 1974; Salongespräche oder Die Chronik der geistigen Wunder schimmert fahl und zweideutig, SDR 1975; Black-box oder Macht und Ohnnmacht der Psychologie, WDR 1976; Woody ist eine Ausnahme, Saarl. Rundfunk 1980; Das Haus der Träume, RIAS, BR 1981; Beziehungsfalle oder Analyse einer Ehe,ORF 1981; Gregory Batesons Gespräche mit seiner Tochter Cathy, SFB 1983; Die Geschichte des Telefons und andere Geschichten, ORF 1983; Wie man verschieden Geräusche erzeugen kann, SFB 1984; Obduktion, ORF 1984; Die Gaunersprache der Intellektuellen, SFB, ORF 1986; Gödel,Einstein, Monk, SFB 1987; Das Lächeln der Monalisa, SR 1988; Mitsubishi und Hugo Wolf, SFB 1989; Eine kleine widerliche Komödie, SFB 1992; Amokläufer, DS Kultur 1992; Pinocchio auf der Couch, SFB, ORF 1994; Carlo und Lana - Eine Gleichung mit zwei Unbekannten, 1995; Die Wahrheit ist ein Meer von Grashalmen, Kunstradio, ORF 1995; Stadtgespräche, ORF 1998; Gut und Böse sind Vorurteile der Götter, ORF 2000.
Theaterstücke (u.a.): a violation study, Graz 1972; Billard, Erlangen 1979; Obduktion, Klagenfurt 1993; Das Geschenk der Anna O., Wiener Lesetheater 1995.
Ausstellungen: Galerie Droschl, Wien 1984, Aquarelle Schloss Harrach, Bruck a.d. Leitha 1994; Originalbücher Galerie Kalb; Aquarelle, Café Altwien 1994; Pavillon: Buchmesse 1995; Der colorierte Irrtum oder Die Chronik der geistigen Wunder schimmert fahl und zweideutig. Bilder, Texte, Filme und Theater von und für Helmut Eisendle, GAAV 2009; Aquarelle, Galerie Marenzi, Leibnitz 2009.
Auszeichnungen (u.a.): Hörspielpreis des Bundesministerium für Unterricht und Kunst 1972; Peter-Rosegger-Preis 1981; Literaturpreis des Landes Steiermark 1983; Elias-Canetti-Stipendium der Stadt Wien 1984; Würdigungspreis des Bundesministerium für Unterricht und Kunst 1993.
Produktion: SFB 1984
Sprecher: Helmut Qualtinger
Musik: Verschiedene
Dauer: 13 min 40 sek
Quelle: © Helmut Qualtinger, Eisendle. Wie man verschieden Geräusche erzeugen kann. Preiser Records, rbb 2005
Im Literaturradio seit: September 2009