Geboren am 20. Oktober 1927 in Hermannstadt, Siebenbürgen, als Angehöriger der deutschen Minderheit der Siebenbürger Sachsen. Er starb am 4. Oktober 2006 in Frankfurt am Main. Sein Vater war Zeichenlehrer. Von 1938 bis 1944 besuchte er in seiner Geburtsstadt das Gymnasium. Im Januar 1945 deportierte man den 17-Jährigen in die Sowjetunion, wo er in Arbeitslagern als Zwangsarbeiter eingesetzt wurde. Erst 1949 gestattete man ihm die Rückkehr nach Rumänien.
Dort lebte er in den folgenden Jahren von Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten. Während des anschließenden dreijährigen Wehrdienstes in der rumänischen Armee holte er in Fernkursen seine Reifeprüfung nach. Danach arbeitete er als Betontechniker in einer Baufirma. Von 1955 bis 1960 studierte er Germanistik an der Universität Bukarest und legte dort sein Staatsexamen ab. Ab 1960 war er Redakteur bei der deutschsprachigen Inlandsabteilung des Rumänischen Staatsrundfunks. Seine ersten Lyrikveröffentlichungen (erster Lyrikband Offene Worte, 1964) im Rumänien der 60er Jahre erregten Aufsehen und brachten ihm zwei bedeutende rumänische Literaturpreise ein. 1968 nutzte Pastior einen Studienaufenthalt in Wien zur Flucht in den Westen. Er ging weiter nach München und anschließend nach West-Berlin, wo er seit 1969 als freier Schriftsteller und Übersetzer lebte. Er arbeitete u. a. an den Übersetzungen der Werke von Welimir Chlebnikow und Tristan Tzara.
Oskar Pastior zählte in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts zu den überragenden Vertretern einer Dichtung, deren Hauptanliegen Sprachspiel und Wortartistik waren. Sein Werk war stark beeinflusst von der Lautpoesie des Dadaismus, aber auch von der extremem Kunstfertigkeit der Autoren der Gruppe OULIPO.
Pastior war seit 1977 Mitglied des Bielefelder Colloquiums Neue Poesie, seit 1984 der Akademie der Künste (Berlin), seit 1989 der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt und seit 1993 der Vereinigung OULIPO. Außerdem gehörte er der Künstlergilde Esslingen und der Europäischen Autorenvereinigung Die Kogge an.
Oskar Pastior starb am 4. Oktober 2006 während der Buchmesse in Frankfurt am Main. Am 21. Oktober wurde ihm postum der Georg-Büchner-Preis für 2006 verliehen. Die von Pastior noch selbst verfasste Dankesrede wurde vom Verleger Michael Krüger verlesen.
Das Deportationsschicksal des Protagonisten in Herta Müllers Roman Atemschaukel ist angelehnt an Oskar Pastiors Erfahrungen im sowjetischen Gefangenenlager. Müller hatte gemeinsam mit Pastior diese Erinnerungsarbeit geleistet, bei der sie wöchentlich zu einem Schreibtermin zusammenkamen. 2004 hatten sie eine gemeinsame Reise an die Lagerorte in der Ukraine nach Kriwoj Rog und Gorlowka unternommen.
Seit 2007 findet in Hermannstadt jährlich Anfang Oktober das Internationale Poesiefestival Oskar Pastior statt; es wird von Ernest Wichner vom Literaturhaus Berlin und Corina Bernic vom Kulturinstitut Bukarest veranstaltet. Außerdem wird seit 2010 der von Pastior im Testament verfügten Oskar-Pastior-Stiftung der Oskar-Pastior-Preis vergeben. Er ist mit 40.000 Euro dotiert und soll experimentelle Literatur fördern.
Im Sommer 2010 entdeckten die beiden Germanisten Stefan Sienerth und Peter Motzan bei Recherchen in den Akten des ehemaligen rumänischen Geheimdienstes Securitate, dass Pastior zwischen 1961 und 1968 unter dem Decknamen "Otto Stein" als Informant tätig war. Die Reaktionen von Freunden und anderen pendelten zwischen Irritation, Unverständnis und Verzeihen.
Veröffentlichungen: Fludribusch im Pflanzenheim, Bukarest 1960; Offne Worte, Bukarest 1964; Ralph in Bukarest, Bukarest 1964; Gedichte, Bukarest 1965; Vom Sichersten ins Tausendste, Frankfurt am Main 1969; Gedichtgedichte, Darmstadt u. a. 1973; Höricht, Lichtenberg 1975; An die neue Aubergine, Berlin 1976; Fleischeslust, Lichtenberg 1976; Der krimgotische Fächer, Erlangen 1978; Ein Tangopoem und andere Texte, Berlin 1978; Wechselbalg, Spenge 1980; 33 Gedichte, München u. a. 1983 (Bearbeitungen von Gedichten von Francesco Petrarca); Sonetburger, Berlin 1983; Anagrammgedichte, München 1985; Ingwer und Jedoch, Göttingen 1985; Lesungen mit Tinnitus, München u. a. 1986; Römischer Zeichenblock, Berlin 1986; Teure Eier, Paris 1986; Jalousien aufgemacht, München u. a. 1987; Modeheft des Oskar Pastior, München 1987; Anagramme, Berlin 1988 (zusammen mit Galli); Kopfnuß, Januskopf, München u. a. 1990; Neununddreißig Gimpelstifte, Berlin 1990; Eine Scheibe Dingsbums, Ravensburg 1990; Feiggehege, Berlin 1991; Urologe küßt Nabelstrang, Augsburg 1991; Vokalisen & Gimpelstifte, München u. a. 1992; Eine kleine Kunstmaschine, München u. a. 1994; Das Unding an sich, Frankfurt am Main 1994; Gimpelschneise in die Winterreise - Texte von Wilhelm Müller, Weil am Rhein u. a. 1997; Das Hören des Genitivs, München u. a. 1997; Come in to frower, Tokyo u. a. 1998 (zusammen mit Veronika Schäpers und Silke Schimpf); Der Janitscharen zehn, Berlin 1998; Standort mit Lambda, Berlin 1998; Pan-tum tam-bur, Frankfurt am Main 1999 (zusammen mit Uta Schneider); Saa uum, Frankfurt am Main 1999; O du roher Iasmin, Weil am Rhein u. a. 2000; Villanella & Pantum, München u. a. 2000; Ein Molekül Tinnitus, Berlin 2002 (zusammen mit Gerhild Ebel), Werkausgabe, München u.a.: Bd. 2. Jetzt kann man schreiben was man will!, 2003 - Bd. 3. Minze Minze flaumiran Schpektrum, 2004 - Bd. 1. …sage, du habest es rauschen gehört, 2006; Gewichtete Gedichte. Chronologie der Materialien, Hombroich 2006; Speckturm. 12 x 5 Intonationen zu Gedichten von Charles Baudelaire, Basel 2007.
Auszeichnungen: 1965 Literaturpreis der Zeitschrift Neue Literatur in Bukarest; 1967 Lyrikpreis des Rumänischen Schriftstellerverbandes; 1969 Förderpreis zum Andreas-Gryphius-Preis; 1978 Förderpreis des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie; 1980 Literaturpreis der Universitätsstadt Marburg und des Landkreises Marburg-Biedenkopf; 1981 Villa-Massimo-Stipendium; 1983 Preis des SWF-Literaturmagazins; 1988 Ehrengabe des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie; 1988 Hörspiel des Monats (März: Mordnilapsuspalindrom); 1990 Hugo-Ball-Preis;1993 Ernst-Meister-Preis für Lyrik;1997 Horst-Bienek-Preis für Lyrik; 1998 Siebenbürgisch-Sächsischer Kulturpreis; 1999 Preis der Stadt Münster für Europäische Poesie zusammen mit Gellu Naum; 2000 Walter-Hasenclever-Literaturpreis; 2001 Peter-Huchel-Preis für deutschsprachige Lyrik; 2001 Ehrendoktorwürde der Universität Lucian Blaga Sibiu; 2002 Erich-Fried-Preis; 2006 Georg-Büchner-Preis (posthum).
Aufzeichnung: 30. April 2006
Dauer: 31 min 20 sek
Einführung: Ingrid Bertel
Lesung: Autor
Quelle: Poesie International 2006. 28.04. bis 01.05, (CD 1 Sonntag, 30.04.2006), Spielboden Dornbirn; Herausgeber: Franz Paul Hammling, Literatur Vorarlberg 2006.
Produktion: © Literatur Vorarberg und Spielboden Dornbirn 2006
Im Literaturradio seit: August 2010