„Souverän sitzt die Biographie zwischen allen Stühlen: zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, zwischen der Wissenschaft und der Kunst, zwischen dem Leben des Biographierten und dem der Biographin.“, schreibt Angela Steidele in ihrem Essay Poetik der Biographie und schickt sich an „die strittige Natur der Biographie zu klären…“.
So führt Adele Steidele ein in eine kurzweilige anschauliche Theorie der Gattung. Und ebenso kurzweilig und lebendig vermittelt sie ihre Thesen und Erfahrungen in ihrem Vortrag, den sie am 2. Februar 2020 am Saumarkt in Feldkirch gehalten hat.
Es ist ein Werkstattbericht über die bescheidenen Triumphe und fatalen Trugschlüsse ihrer biographischen Recherche in Russland und im Kaukasus auf den Spuren der englischen Tagebuchautorin und Weltreisenden Anne Lister, die 1840 im heutigen Georgien starb.
Wieviel Autobiographie steckt in jeder Biographie? fragt sich die Autorin und Wissenschaftlerin. Erzählt die Biographie mehr von der Gegenwart als von der Vergangenheit? Und wer erfindet mehr: der Biograph beim Schreiben oder die Biographierte schon im Leben? Denn „Biographien werden schon im Leben erfunden, oder schöner: Jeder ist sein eigener Biograph.“
Geboren 1968 in Bruchsal. Sie schreibt Sachbücher und Romane. Unter anderem geht es in ihren Büchern um Liebesgeschichten zwischen Gleichgeschlechtlichen auf der Basis historischer Quellen aus dem 18. und 19. Jahrhundert.
Veröffentlichungen (Auswahl): In Männerkleidern. Das verwegene Leben der Catharina Linck alias Anastasius Rosenstengel, hingerichtet 1721 (2004); Geschichte einer Liebe. Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens (2010); Rosenstengel, Roman (2015); Anne Lister. Eine erotische Biographie. (2017); Zeitreisen. Vier Frauen, zwei Jahrhunderte, ein Weg (2018); Poetik der Biographie (2019).
Für den Roman Rosenstengel wurde sie mit dem Bayerischen Buchpreis ausgezeichnet. Anne Lister wurde zur Heldin der achtteiligen Fernsehserie Gentleman Jack (BBC/HBO 2019).