08.08.2010
Ingo Springenschmid "beschreibt Papier".

Ingo Springenschmids Literatur ist hermetisch im reinsten Sinn. Kein Satz, kein Vers, der nicht inhaltlich und semantisch verschlüsselt wäre und sich damit dem alltäglichen Gebrauch, eigentlich Missbrauch entzöge. Und darüber hinaus ist Ingo Springenschmid einer, der den Titel „hermetischer Dichter“ wie kaum ein anderer zu tragen berechtigt ist, denn der Missbrauch der Sprache gehört in Gestalt seines Vaters Karl Springenschmid (Nazi-Schriftsteller und jener NS-Bildungsbeamte, der die Salzburger Bücherverbrennungen des Jahres 1938 zu verantworten hatte) zu den persönlichen Erfahrungen seines Lebens. Seine Distanz zum vermeintlich Schönen in der deutschsprachigen Lyrik vor 1945 könnte deshalb wohl nicht größer sein. Diese Vorgeschichte hat auch zur sprachphilosophischen Haltung Springenschmids beigetragen, die in der These gipfelt: „Die Wörter sind sie selbst.“ Das klingt extrem und man glaubt sofort die Überzeugung heraus zu hören, dass Bedeutung, die darüber hinaus geht, unmöglich ist bzw. die Erzeugung lyrischer Bilder immer noch ein unsittliches Vorhaben. Doch so ist es nicht ganz. Dem strengen Prinzip zum Trotz, merkt man Springenschmids Versen die Lust am Lautspiel und am Rhythmus an, und dem Dichter selbst den Spaß an der Rolle des versierten Sprachalchimisten, der an einem umfassenden Rezept für die Produktion von Gedichten arbeitet, nur dass sie eben aus nichts anderem bestehen sollten, als aus den nüchternen Grundelementen der Sprache. Dem entsprechend hat er irgendwann seine Tätigkeit als Schriftsteller auch ziemlich lakonisch, (scheinbar) bescheiden und dabei sehr scharfsinnig auf den Punkt gebracht, nämlich: „Ich beschreibe Papier.“
Zwei Papierbeschreibungen sind neu im Literaturradio archiviert, beide hat Ingo Springenschmid beim Festival Poesie International 2006 am Dornbirner Spielboden vorgetragen. Das Gedicht, das hier unter dem Titel „Zweiundvierzig September oder zur Fall Stelle“, aufscheint, beziehe sich, wie Springenschmid erläutert, „auf die belasteten Landschaften eines Jugendlichen.“ Gewidmet hat er das Gedicht dem Lyriker Christoph W. Aigner. 
Nacht Schlaf gegen den Tag  [mp3]
Zweiundvierzig September oder zur Fall Stelle  [mp3]

Weitere Gedichte unter  [Lyrik]
Die gesamte Lesung unter  [Poesie International 2006]
Mehr über Ingo Springenschmid  [hier]