04.10.2010
Zum 3. Todestag von Oskar Pastior

Anlässlich des 3. Todestages (oder 83. Geburtstages) des am 20. Oktober 1927 geborenen und am 4. Oktober 2006 verstorbenen rumäniendeutschen Lyrikers Oskar Pastior machen wir auf die Lesung aufmerksam, die er 2006, nur fünf Monate vor seinem Tod, am Spielboden in Dornbirn beim Festival Poesie International gehalten hat. Die Einführung hielt Ingrid Bertel.
Leider gibt es zu seiner Person auch das erst kürzlich von den beiden Münchner Germanisten Stefan Sienerth und Peter Motzan entdeckte Faktum zu vermelden, dass er zwischen 1961 und 1968 unter dem Decknamen "Otto Stein" als Informant für den rumänischen Geheimdienst Securitate tätig war. Sein Schicksal erinnert damit an jenes des ungarischen Regisseurs Istvan Szabo (Mephisto), von dem Anfang 2006 bekannt wurde, dass er als Student in den 50er Jahren für die ungarische kommunistische Geheimpolizei ÁVH Künstlerkollegen bespitzelte. Pastior dürfte damals, als er in Dornbirn war, die Diskussion um Szabo noch im Ohr gehabt haben, was er dazu meinte, ist uns nicht überliefert. Was wir wissen ist, dass die Haltung der Öffentlichkeit zu den auf diese Art Aufgedeckten immer gespalten ist. Das war sie auch im Fall der Waffen-SS-Mitgliedschaft von Günter Grass, und selbst einige von denen, über die Szabo Berichte abgeliefert hatte, waren bereit, sich mit ihm zu solidarisieren, da der Druck, unter dem er damals stand, für sie nachvollziehbar war. Ähnlich nun auch im Fall von Oskar Pastior. Der rumänische Dichter Mircea Dinescu, selbst jahrzehntelang von der Geheimpolizei traktiert, sagte, die Entdeckung ändere an seiner Sympathie für Pastior nichts. Und die Nobelpreisträgerin Herta Müller, die eng mit ihm befreundet war und die in ihrem Buch Atemschaukel seine Deportationsgeschichte zu einem Roman verarbeitet hatte, empfand zwar zunächst „Erschrecken, auch Wut“, hätte ihn auch zur Rede gestellt, würde er noch leben, aber nicht verurteilend, sondern verständnisvoll. Aber „vor dem Verzeihen", sagte sie in einem Interview für die rumänischen Tageszeitung Romania libera, "müssen [...] die Dinge geklärt werden, die betreffende Person muss wenigstens sagen, dass es ihr leid tut, sie muss sagen, was sie getan hat und nicht leugnen bis zum Geht-Nicht-Mehr“, Zeit genug für Erklärung habe es gegeben.
Für Pastior ist es zu spät oder wie Mircea Dinescu sagte: „Gut dass er tot ist und seine Enttarnung nicht mehr erleben musste.“ Niemand übrigens zweifelt deswegen an der literarischen Qualität des von Pastior hinterlassenen Werks. Wir auch nicht, denn jedes Werk spricht letztlich für sich selbst und mitunter sogar gegen seinen Autor.

Oskar Pastior bei Poesie International 2006  [mp3]
Oskar Pastior  [Info]