14.09.2009
Neues von Jürg Halter - Schweizer Lyriker und Rapper

Jürg Halter hat dieser Tage ein neues, nein, nicht lyrisches Werk, sondern Rap-Album („Sunne“) veröffentlicht. Und ich vermute, die Mehrzahl der Fans von Kutti MC (so sein Name als Musiker) wird sich vermutlich wundern, dass es auch den Lyriker Jürg Halter gibt.
Im Deutschlandradio Kultur zumindest wundert man sich über sein „zweites Ich“. Er schreibe „Lyrik, die so eigentümlich antiquiert ist, dass man meinen könnte, der Schweizer käme aus einem anderen Jahrhundert.“ Ich denke, Lyriker und Raptexter Halter kommen eher aus zwei unterschiedlichen Schichten der selben Zeit und zitiere als Beleg meiner These eine verlässliche Quelle, nämlich Halter selbst:
Ich tauche tausend Meter tiefer
dort gibt es die drei großen Geysire zu sehen.
Ich entscheide, meine Kultur der Tageslieder
auf Strahlenteller zu pressen. – Nun
ich will die Welt meine Lieder singen hören.
Ich befinde mich in sechstausend Meter Tiefe.
Ich stehe in einer Gesangskabine und zögere nicht. –
Einen Augenblick später, doch sechstausend Meter über mir
wird meine Kultur der Tageslieder schon
aus einem CD-Abspielschlitz in die hiesige Welt geschoben.

(Ausschnitt aus: Meine Kulter der Tagelieder. In: Ich habe die Welt berührt, Ammann-Verlag 2005)

Halter ist vielleicht insofern altmodisch, als er sich hier auf die alte Tradition der Tagelieder bezieht, (wobei die ja die deftigsten und praktisch anschaulichsten Ergebnisse der mittelalterlichen Liebeslyrik hervor gebracht hat), inhaltlich und metaphorisch aber schreibt er natürlich auf der Höhe der Zeit. Als Beweis ein weiteres Beispiel aus seinem Lyrikband „Ich habe die Welt berührt“, erschienen beim Ammann-Verlag, der übrigens seine Arbeit einstellt, womit Autoren wie Jürg Halter ACHTUNG!! momentan verlagstechnisch heimatlos bzw. für einen neue Heimat zu haben sind.

Niemand, keine, Schuld

Wegen Nebenwirkungen
sterben an Muskelzerfall
niemand, keine Schuld
Es bleibt noch etwas Zeit
ungehörte Musik zu hören
erstmals Fisch aus den Tropen zu essen
Der Stiftungspräsident dankt im Klinikgarten
vor geladener Gesellschaft
dem großen, alten, kranken Mann
ergriffen für die geschenkte Plastik. –

Nichts zu danken.

Dankbar dürfen wir sein, dass Jürg Halter 2005 bei Posie International in Dornbirn zu Gast war und wir deshalb ein paar Hörproben seines, in sehr schweizerischem, und damit zugegeben etwas konservativ wirkenden, wenngleich sehr anregenden Vortragsstils, hier lagernd haben. Alle ebenfalls aus dem oben erwähnten Lyrikband.
Und wenn etwas Zeit bleibt, dann hören Sie sich auch noch seine Musik an, deren Duktus, unabhängig von den übrigens in Mundart geschriebenen Texten, jenem der Gedichte meiner Ansicht nach vergleichbar ist, das heißt, mir zumindest genauso gut gefällt.
Bitte, ich versuche zu sprechen  [mp3]
Musik von Kutti MC  [hier]
Mehr Gedichte von Jürg Halter unter  [Lyrik]
Mehr Informationen zu Jürg Halter  [hier]