Ein paar Beispiele aus dem neuen Buch von Norbert Mayer:
tätsch [mp3]
rummat [mp3]
weatorbricht [mp3]
buuhweh [mp3]
koschle korios [mp3]
In der literarischen Reihe Neue Texte des Franz-Michael-Felder-Vereins ist im Herbst 2008 unter dem Titel seanno ein Band mit neuen Mundartgedichten des Bregenzerwälder Lyrikers Norbert Mayer erschienen. Weil die Produktionskosten mittlerweile überschaubar sind und es im Zusammenhang mit Mundartliteratur besonders sinnvoll ist, haben die Herausgeber dem Band eine CD beigelegt, auf der alle Gedichte zu hören sind, und zwar vom Autor selbst gelesen – gut gelesen, nebenbei bemerkt, kraftvoll und immer mit der nötigen stimmlichen Erdung.
Grob könnte man die 104 im Band enthaltenen Gedichte in drei Gruppen einteilen. Jene, in denen Mayer die lautmalerischen Möglichkeiten der Wälder Mundart auszureizen versucht:
hoo hea
hoo kea
hoo kea hea
zit hea
zit kea
zit kea hea
hoozit hea
hoozit kea
hoozit kea hea
(Ausschnitt aus tätsch, S. 51)
die Gruppe der Gedichte, die man als getrocknete und gepresste Wälderweisheiten bezeichnen könnte, wie im folgenden Beispiel (S. 21):
rummat
übrig
laut ma nix
din vo nix
kunnt nix
drum laut ma
ou nix übrig
well übrig
blibt ma sealb
und dann jene, in denen die Mundart den allgemeingültigen poetischen Welt-Deutungen etwas hinzufügt, sie quasi zu "Wald"-Deutungen macht, denen man sofort zutraut, dass sie ein Stückchen näher an der Wahrheit liegen:
weatorbricht
schüo und ruu
sand zwor paar schuo
abor gli i-oam dahoam
sa lang kan schatto
schatto weoft
und d-sunnouhr
nüd meottnaat schlett
(S. 91)
Vom drohenden Verlust dieser Wahrhaftigkeit ist im Gedicht buuhweh (S. 55) sogar direkt die Rede. In doppelt verschränkter Form dient hier der lakonische und prägnante sprachliche Ausdruck, der dem Wälder Brauchtum zugrunde liegt, dazu, dessen zeitgenössischen touristischen Missbrauch zu beschreiben:
sa hohl
wio a leaderhoso ohne füdla
und sa lächrig
wio i-dor juppo
uf-om hamburger fieschmaart
s-buuhweh vorschtecko
Jeweils oben links und kleiner gedruckt, also den Gedichten nachgeordnet, finden sich kurze Texte auf Hochdeutsch. Einige davon könnte man als Inhaltsangaben, andere als Transkriptionen lesen, meistens zieht Mayer damit jedoch eine zusätzliche ironisch-philosophische Ebene ein, die das Gesamtbild ergänzen soll. Für Leser, die sich mit dem Verständnis der sehr starken Wälder Mundart Mayers schwer tun, sind diese "Kopfnoten" vielleicht die einzige Orientierungshilfe, zumal sie sich zum Gedicht in der Regel verhalten wie der Anthropologe zu seinem Forschungsgegenstand. Da Mayer hier Mayer erforscht, kann man seinen Interpretationen wohl vertrauen, dennoch verzichten wir hier darauf, diese Texte mitzuliefern und überlassen die Hörer allein dem natürlichen Gespür des eingeborenen Mundartdichters.
Als Nachweis seien jene zwei Texte angeführt, die den Gedichten rummat und weatorbricht beigefügt sind:
Zu rummat:
so liegt denn brach der große rest
und lauert dauernd auf godot
Zu weatorbricht:
langfristige (wetter)prognose
100-jähriger-kalender-kompatibel
mit unbefristeter probezeit
Den im Titel erwähnten Reim, der die Vermutung nahe legt, im Bregenzer Wald herrsche ein ganz besonderes Verhältnis zwischen Wahrnehmung und Bewusstsein, finden Sie übrigens im Gedicht koschle korios (S. 87).
= Norbert Mayer. seanno. Neue Texte. Die literarische Reihe des Franz-Micheal-Felder-Vereins. Verlag W. Neugebauer, Feldkirch/Graz 2008.
Mehr von Norbert Mayer unter [Mundart] [Lyrik] [Poesie International 2005]
Informationen zu Norbert Mayer [hier]