Am 23. September las Stephan Alfare auf Einladung des Franz-Michael-Felder-Archivs im Foyer des Vorarlberger Landestheaters in Bregenz aus seinem 2014 beim Wiener Luftschacht-Verlag erschienenen Roman Terrain. Die Figuren Alfares gehören, aus der Perspektive des etablierten Bürgertums gesehen, zu den sogenannten Gescheiterten. Dass der Autor über diese Figuren Bescheid weiß, glaubt man ihm sofort. Das liegt nicht nur an dem, was er über sie schreibt, man hört es auch an seiner von hunderttausenden Zigaretten zerriebenen Stimme und an der intensiven, hingebungsvollen Art, wie er die Geschichten liest.
Das bemerkenswerte Gespräch mit dem Autor, in dem es unter anderem um einen Nagel geht, der aus seinem Kopf wächst, führte die Leiterin des Franz-Michael-Felder-Archivs Ulrike Längle.
Max Lang hat die Lesung besucht und im Anschluss daran folgende Gedanken notiert:
"Stephan Alfares Roman Terrain erzählt aus vier Blickwinkeln von einer tristen Wirklichkeit. Durch die Augen von Udo Asch, Tina Nessmann, Josef Tschirk und Janan Al Sahir erhält der Leser Einblicke in das Leben bedrohter Existenzen.
Udo Asch ist Schriftsteller und war lange Zeit verschwunden. Josef Tschirk ist Dramatiker ohne Regisseur. Tina Nessmann ist Krankenpflegerin und kämpft mit der Beziehung zu ihrem Freund. Janan Al Sahir arbeitet als Behinderten-Betreuer und trauert dem Verlust eines geliebten Menschen nach. Immer wieder sitzen sie in unterschiedlichen Kombinationen zusammen, trinken, nehmen Drogen, hängen in der Luft.
Alfares Sprache ist unaufdringlich, sie führt vor Augen, was seine Protagonisten gerade machen, ob sie sich einen Joint drehen, ein Bier „knacken“ oder zum Himmel schauen. Zwischen den einzelnen Kapiteln entsteht eine Stille, wie als Fundament der Geschichte, in der die Figuren verloren sind.
Aus den nächsten Handgriffen, etwa dem Griff zum Kühlschrank für eine Dose Bier, erfährt der Leser etwas über die inneren Regungen von Asch, Tina, Tschirk und Al Sahir. Auf der Flucht aus dem gerade Erlebten heraus, müssen sie sich häufig übergeben, dann kehren sie zu ihren Couch-Tischen zurück, schnupfen Kokain, trinken Jack Daniels oder Bier.
Das Terrain, in dem sie sich bewegen, ist eng. Freunde haben sie nur wenige, Geld ist kaum vorhanden, und es ist schwer für sie, aus ihrer Welt auszubrechen. Alfare schildert das, was mit seinen Figuren passiert, zurückhaltend, und er kommt dabei ganz ohne philosophische oder moralisierende Kommentare aus. Er geht wie ein Chronist oder ein Protokollant vor. Doch zwischen den einzelnen Bildfolgen entstehen oft tiefe poetische Momente.
Josef Tschirk ist pädophil, doch er hatte nie etwas mit Kindern, versichert er. Einmal erzählt er Tina von seiner Neigung. Sie vertrinken einen halben Tag in einer Bar, ehe sie vor die Tür treten und Tschirk befreit sein Problem in den Nachthimmel ruft.
In vielen Fällen bleibt die Kommunikation zwischen den Freunden diffus, oder sie bleibt ganz aus. So tragen die Figuren ihre Geheimnisse oft lange allein mit sich herum.
Doch von Zeit zu Zeit finden diese hellen Momente statt, wenn jemand von sich erzählt, wenn jemand Mitgefühl für den anderen empfindet, ihn verstehen will.
Alfare fällt kein Urteil über seine Figuren. Man begleitet sie als Leser ein Stück ihres Wegs, schaut ihnen auf die Finger, wenn sie einen Joint drehen oder mit der Faust gegen die Wand hauen. Man ist gerne mit ihnen unterwegs, auch wenn die Einblicke in ihre Welt nicht immer angenehm sind."
Aufzeichnung: 23. September 2014
Dauer: 47 min 19 sek
Genre: Roman (Auszug)
Ort: Foyer des Vorarlberger Landestheaters in Bregenz
Veranstalter: Franz-Michael-Felder-Archiv
Erzähler: Stephan Alfare
Produktion: Literaturradio 2014
Aufzeichnung: 23. September 2014
Dauer: 15 min 27 sek
Ort: Foyer des Vorarlberger Landestheaters in Bregenz
Veranstalter: Franz-Michael-Felder-Archiv
Interview: Ulrike Längle
Interviewter: Stephan Alfare
Produktion: Literaturradio 2014